27.09.2003

Sind Sie schwanger?

Hamburger Abendblatt 27./28.09.2003

Immer wieder stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber in einem Bewerbungsgespräch eine Bewerberin nach einer bestehenden Schwangerschaft fragen darf.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 6.2.2003 - AZ 2 AZR 621/01) hatte hierzu über die Wirksamkeit der Anfechtung eines Arbeitsvertrages, den ein Arbeitgeber mit einer Wäschereimitarbeiterin vereinbart hatte, zu entscheiden. Die Parteien hatten am 3.5.2000 einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen, in dem niedergelegt war, dass eine Schwangerschaft nicht besteht. Anschließend erhielt der Arbeitgeber von seiner Mitarbeiterin eine Bescheinigung, nach der bereits am 11.4.2000 eine Schwangerschaft festgestellt worden war. Aufgrund von mutterschutzrechtlichen Vorschriften konnte die Mitarbeiterin daher ihre Tätigkeit in der Wäscherei nicht aufnehmen. Daraufhin focht der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an.

Entgegen früherer Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht die Anfechtung für unwirksam erklärt und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Nach Ansicht der Richter verstoße die Frage nach einer Schwangerschaft vor der Einstellung regelmäßig gegen § 611a Bürgerliches Gesetzbuch, nach dem der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen dürfe. Diese Vorschrift sei europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Frage nach einer Schwangerschaft regelmäßig auch dann unzulässig sei, wenn sich die Bewerberin auf eine unbefristete Stelle bewerbe, die sie zunächst wegen des Eingreifens gesetzlicher Beschäftigungsverbote nicht antreten könne. Begründet hat das Gericht die Änderung seiner Rechtsauffassung mit Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der Umsetzung der Richtlinie 76/207/EWG.
 
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