Hamburger Abendblatt 20./21.12.2003
Hat ein Arbeitgeber den Verdacht, dass in seiner Firma von Mitarbeitern Straftaten zu seinen Lasten begangen werden, stellt sich für ihn die Frage, ob er sich durch Videoüberwachungen Beweise beschaffen darf.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 27.3.2003 - AZ 2 AZR 51/02) hatte über die fristlose Kündigung einer Kassiererin zu entscheiden. Seit 1997 traten in dem Getränkemarkt, in dem die Kassiererin tätig war, überdurchschnittlich hohe Inventurdifferenzen auf. Die Kassiererin stand in dem Verdacht, fiktive Gutschriften über Leergut erzeugt und anschließend den entsprechenden Geldbetrag aus ihrer Kasse genommen zu haben. Die Firma installierte daher im Jahre 2000 zwei verdeckte Videokameras. Nach Auswertung der Videoaufzeichnungen, auf denen der Tathergang zu erkennen war, kündigte die Firma der Kassiererin.
Das Gericht hielt die Kündigung für berechtigt. Die heimliche Anfertigung der Videoaufnahmen stelle zwar einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kassiererin dar. Der Eingriff sei jedoch gerechtfertigt gewesen. Nach Auffassung der Richter sei die heimliche Videoüberwachung aber nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers bestehe, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft seien und die verdeckte Videoüberwachung praktisch das einzige verbleibende Mittel darstelle.
Diese Voraussetzungen sahen die Richter im entschiedenen Fall als gegeben an. Der Arbeitgeber habe u.a. zuvor erfolglos versucht, durch Maßnahmen der Innenrevision und Überprüfungen im Warenwirtschaftssystem die Inventurdifferenzen zu klären. Die Überwachung habe zugleich die einzige Möglichkeit geboten, die übrigen Arbeitnehmer aus dem engen Kreis der Verdächtigen auszuschließen.