Hamburger Abendblatt 19./20.03.2005
Ein Arbeitnehmer, der vor seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unter Verwendung des Adressenmaterials seines Arbeitgebers ein Verabschiedungsschreiben an seine Kunden richtet, kann wettbewerbswidrig handeln. Dies hat der Bundesgerichtshof ( Urteil vom 22.4.2004, AZ: I ZR 303/01) jedenfalls für den Fall entschieden, daß der Arbeitnehmer direkt oder indirekt auf seine zukünftige Tätigkeit als Wettbewerber oder für einen Wettbewerber hinweist.
Der Arbeitnehmer war seit 1991 in dem Lohnsteuerhilfeverein des Klägers als Steuersachbearbeiter angestellt. Er kündigte sein Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31.12.1998. Am 19.12.1998 verabschiedete er sich mit einem Schreiben von den damals durch ihn betreuten Mitgliedern des Klägers. Er bedankte sich für das Vertrauen unter Nennung seiner privaten Adresse und Telefonnummer. Später war er bei einem Wettbewerber seines alten Arbeitgebers tätig. Der Kläger gab an, daß ihm infolge des Schreibens allein im Jahr 2000 ein Schaden wegen Verlustes von Mitgliedsbeiträgen in Höhe von EUR 25.937,84 entstanden sei. Diesen machte er gegenüber seinem ehemaligen Arbeitnehmer und dessen neuen Arbeitgeber geltend.
Die Richter sahen das Versenden des beanstandeten Rundschreibens als wettbewerbswidrig an und bejahten eine Schadensersatzpflicht. Zwar gehöre das Abwerben von Kunden zum Wesen des Wettbewerbs. Das Schreiben erschöpfe sich wegen der Angabe der privaten Anschrift und Telefonnummer des ehemaligen Arbeitnehmers jedoch nicht in einer höflichen Verabschiedung. Alles in allem genommen sei das Schreiben darauf gerichtet gewesen, die vom ehemaligen Arbeitnehmer betreuten Mitglieder zu veranlassen, sich auch weiterhin von diesem beraten zu lassen und sich hinsichtlich eines Wechsels der Mitgliedschaft an ihn zu wenden.