Hamburger Abendblatt 14./15.05.2005
Bevor ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter aus verhaltensbedingten Gründen kündigen kann, muss er ihn in der Regel zunächst vorher wegen eines Pflichtenverstoßes verwarnen und ihm für den Fall einer Wiederholung die Kündigung androhen.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.9.2004, AZ: 4 AZR 406/03) hatte über die Klage eines Arbeitnehmers zu entscheiden, der von seinem Arbeitgeber drei Abmahnungen wegen wiederholten verspäteten Erscheinens zur Arbeit und verspäteter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhalten hatte. Als der Arbeitnehmer anschließend erneut mehrmals zu spät erschien und seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verspätet vorlegte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgemäß.
Die Richter waren der Auffassung, dass der Arbeitgeber durch die drei Abmahnungen sein Kündigungsrecht nicht verbraucht habe. Angesichts der im Arbeitsleben verbreiteten Praxis, bei als leichter empfundenen Vertragsverstößen einer Kündigung mehrere – häufig drei – Abmahnungen vorausgehen zu lassen, könne in aller Regel nicht bereits die dritte Abmahnung als „entwertet“ angesehen werden. Es liege in der zukunftsbezogenen Natur von Drohungen, dass sie nicht stets wahrgemacht würden.
Wenn die in der Abmahnung enthaltene Warnung beim Arbeitnehmer die Hoffnung offen lasse, der Arbeitgeber werde vielleicht „Gnade vor Recht ergehen lassen“, weil er in der Vergangenheit „Milde walten“ ließ, so entwerte dies die Abmahnung nicht. Ansonsten wäre gerade der ruhig und verständig abwägende, im Zweifel eher zur Nachsicht neigende Arbeitgeber benachteiligt.