Hamburger Abendblatt 18./19.06.2016
Die Leserfrage: Einer meiner Mitarbeiter hat sein Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2016 selbst gekündigt. Er ist seit fünf Jahren bei mir beschäftigt und hat einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen, von denen er für 2016 bereits siebzehn Tage genommen hat. Nun verlangt er noch dreizehn weitere Urlaubstage. Hat er hierauf einen Anspruch?
Das sagt Rechtsanwältin Silke Grage: Grundsätzlich wird der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechs-monatigem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erworben. Diese Wartezeit erfüllt Ihr Mitarbeiter. Allerdings ist der Urlaubsanspruch nach Paragraf 5 Absatz 1 c) Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) anteilig zu kürzen, wenn der Mitarbeiter in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus-scheidet.
Es stellt sich daher die Frage, ob bei einer Kündigung zum 30. Juni „ein Ausscheiden in der ersten Hälfte eines Ka-lenderjahres“ im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 16.6.1966, 5 AZR 521/65) ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und deren Sinn und Zweck, dass dies der Fall ist. Zur Begründung wird angeführt, dass die genannte Frist „erste Hälfte eines Kalenderjahres“ ihre zeitliche Endgrenze im Zeitpunkt des Ablaufs des 30. Juni hat. Dies entspreche auch dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach ein zum 30. Juni kündigender Arbeitnehmer „am“ 30. Juni und damit in der ersten Jahreshälfte sein Arbeitsverhältnis beendet.
Diese Rechtsprechung hat zur Folge, dass Ihr Mitarbeiter eigentlich für 2016 nur einen anteiligen Urlaubsanspruch von 15 Urlaubstagen hat und Sie ihm damit bereits 2 Urlaubstage zu viel gewährt haben. Nach Paragraf 5 Absatz 3 BUrlG können Sie jedoch das für diese beiden Tage bereits gezahlte Urlaubs-entgelt nicht von Ihrem Mitarbeiter zurückfordern.
Ebenfalls entschieden hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 17.11.2015, 9 AZR 179/15) über eine ähnliche Fallkonstellation. Begründet ein Arbeitnehmer erst zum 1. Juli eines Jahres ein Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber, steht ihm für das entsprechende Eintrittsjahr auch nur ein anteiliger Jahresurlaub, also lediglich die Hälfte des Gesamtjahresurlaubsanspruches zu.